Das Problem unserer Zeit: Hunde ohne Grenzen

Ich glaube, dass es kaum einen Ort gibt, an dem sich die Menschen so sehr um ihre Hunde bemühen wie in Nord- und Westeuropa.
Wir halten unsere Hunde in der Regel nicht mehr als Arbeitstier und bewerten ihn nicht nach seinem Nutzwert. Stattdessen ist der Hund unser Freund, Partner und oft auch Kindersatz. Wir gehen auf die Vorlieben unserer Hunde ein, haben Verständnis für seine Ängste, sorgen uns um sein Wohlbefinden und vertreiben ihm die Langeweile mit zig verschiedenen Hundesportarten von denen wir natürlich diejenige betreiben, die unserem Hund am meisten Spaß macht.

Bei der Erziehung unseres Hundes wählen wir möglichst sanfte Methoden. Belohnen statt strafen und vermeiden jede Form von Strenge, Druck oder andere negativen Erlebnisse.
Aber tun wir unseren Hunden damit wirklich einen Gefallen?

Nein, dies soll kein Aufruf sein, Deinen Hund zu schlagen oder zu quälen.
Dieser Beitrag soll allgemein alle zum Nachdenken anregen, besonders diejenigen, deren Hunde zwicken oder gar beißen, sich keine Beute abnehmen lassen, nicht alleine bleiben, sich nicht abrufen lassen, in die Leine beißen, Kinder umwerfen, auf die Betten pinkeln, nicht spazieren gehen wollen obwohl sie keine Welpen mehr sind, Besucher angehen, …
Ich lese jeden Tag von Hunden, die unhöflich, rüpelhaft und unverschämt sind und die oben beschriebenen oder noch vielfältige andere Probleme machen, obwohl sie keine gravierend schlechten Erfahrungen gemacht haben, die dieses Verhalten erklären könnten.
Hast Du Dich auch schon mal gefragt, was der Grund für diese Probleme sein könnte?


Grenzenlos (un)glücklich

Jeder löst einen Shitstorm aus der in den sozialen Medien schreibt, dass er seinen Hund mal 5 Minuten in eine Box gesperrt oder ihm eine Ansage gemacht hat.
Würde jemand schreiben, dass er seinem Hund gerade was auf die Nase gehauen hat, weil der ihm in die Wade gezwickt hat, würden 100 Leute über ihn herfallen.
Das Ergebnis:

Viele trauen sich nicht mehr, Grenzen zu setzen, Unverschämtheiten zu strafen, Höflichkeit einzufordern.

Man versucht immer alles mit viel Geduld und Toleranz in kleinen Schritten wegzutrainieren und dabei immer nur positiv zu verstärken. Hundeschulen werben sogar damit, dass sie ausschließlich positiv verstärken, obwohl das gar nicht möglich ist, weil schon der Keks, den der Hund nicht bekommt obwohl er ihn erwartet hat, keine positive Verstärkung mehr ist.

Das alles passiert mit einem Hund.
Einem Tier, dass Grenzen und Regeln sucht und braucht, um sich wohl, geborgen und sicher zu fühlen. Findet der Hund zu wenig Grenzen, geht er auf die Suche nach ihnen, denn er will geführt werden. Er will jemandem sein Leben anvertrauen und derjenige muss dieses grenzenlose Vertrauen aber auch verdienen.
Würdest Du jemanden zum Chef wählen und ihm bedenkenlos durch jede Gefahr folgen, der selbst nicht weiß, was er eigentlich will?
Fühlst Du Dich nicht besser, wenn Dein Vorgesetzter zwar freundlich, berechenbar und vertrauenswürdig ist, Dir aber eine klare Linie vorgibt und zur Not auch mal auf den Tisch haut, wenn Du wirklich Mist gemacht hast anstatt jeden Mitarbeiter alles machen zu lassen, hilflos dabei zuzusehen wenn etwas aus dem Ruder läuft und keine eigene Meinung äußert?

Beobachte mal andere Hunde. Die klären nerviges oder unverschämtes Verhalten sofort und nicht erst nächste Woche in der Hundeschule. Es wird geknurrt, gefletscht und dann zur Not auch mal geschnappt.
Konsequent, sofort, selbstbewusst und authentisch, aber nicht übertrieben hart.


Meine, was Du tust!

Besonders „authentisch“ finde ich wichtig.
Du musst so reagieren, dass der Hund merkt, dass er zu weit geht, aber Du selbst musst meinen, was Du machst.
Wenn ein Trainer Dir sagen würde, dass Du Deinen Hund schlagen sollst (was er natürlich nicht täte und Du auch nicht tun sollst, ist nur ein Beispiel) und Du machst das, aber dabei denkst Du daran, wie leid Dir das tut, dann tust Du dem Hund zwar weh, erzielst aber keine Wirkung, weil der Hund merkt, dass Du nicht meinst, was Du tust.
Wenn Du dagegen etwas harmloseres tust, was Du aber authentisch rüberbringen kannst, dann ist die Wirkung viel größer.
Deshalb kann Dir niemand im Internet weiterhelfen, wenn es darum geht, Dich Deinem Hund gegenüber durchzusetzen und Dir Respekt zu verschaffen. Denn niemand kennt Dich und Deinen Hund.
Und Du sollst natürlich niemals übertrieben strafen, das wäre fatal. Denn davon abgesehen, dass man das einfach nicht macht, würde sich niemand, auch kein Hund, jemandem anvertrauen, der ständig aus der Haut fährt und übertriebene Härte zeigt.


Deshalb ist es ein Problem unserer Zeit.

Früher war lange nicht alles besser. Bei der Ausbildung der Hunde wurde schnell zu Stachelhalsbändern und anderen Hilfsmitteln gegriffen, die zu Recht heute verboten sind.
Aber ich glaube, dass viele Leute, die einfach nur ihren Hund erziehen und nicht speziell ausbilden wollten, mangels Hundeschulen und sozialer Medien einfach auf ihr Bauchgefühl gehört und oft das Richtige gemacht haben.
Heute haben viele Menschen Angst davor was falsch zu machen und tun deshalb lieber gar nichts bis zum nächsten Termin beim Trainer.
Der kann dem Hund aber auch nicht erklären, dass er sich vor einer Woche falsch verhalten hat.
Hunde lernen aus den unmittelbar auf ihr Verhalten folgenden Resultaten. Und das Resultat seines Verhaltens ist heute leider zu oft die Verunsicherung und das Zurückschrecken des Halters und die Tatsache, dass der Hund erst einmal seinen Willen bekommt und der Besitzer zum Telefon greift um einen Termin beim Trainer zu machen.

 

Fazit

Dieser Beitrag soll nicht den Eindruck erwecken, dass ich die Inanspruchnahme eines Hundetrainers sinnlos finde. Ganz im Gegenteil! Aber ein Trainer kann immer nur im Nachhinein versuchen, eine Situation zu rekonstruieren oder zu erklären, Dein Hund hat aber aus der ersten Situation bereits gelernt.
Deshalb solltest Du Dich trauen, Deinen Hund auch mal zurechtzuweisen, wenn er seine Grenzen sucht – Dein Bauchgefühl wird Dir bestimmt dabei helfen, das richtige Maß zu treffen.
Damit hilfst Du Dir und besonders Deinem Hund. Bist Du unsicher empfehle ich Dir, bei Deinem Hundetrainer auch mal eine Theoriestunde einzulegen und Dich von ihm darüber beraten zu lassen, wie Du in welchen Situationen sofort richtig reagieren könntest, damit Du bei Bedarf weißt, was zu tun ist.

Das Bild zu diesem Beitrag stammt von uwemaschke59 auf Pixabay

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